Christone „Kingfish“ Ingram

Alles nur geklaut?
Hat bluesnews ein Interview aus Living Blues „abgekupfert“? Oder die amerikanische Zeitschrift einen Artikel aus bluesnews? Die Antwort auf beide Fragen lautet „nein“. Vielmehr gingen beide Redaktionen dem Manager des US-Newcomer Christone „Kingfish“ Ingram auf den Leim.
Glaubwürdigkeit ist für Redakteure, Journalisten und Medien ein hohes Gut, doch das Image der schreibenden Zunft leidet schon seit vielen Jahren. Scharlatane wie Claas-Hendrik Relotius brachten es mit erfundenen Reportagen sogar zu trauriger Berühmtheit. Selbst in kleinsten Nischen wie dem Blues sind bedenkliche Entwicklungen zu beobachten. So führen einige Blogger und Internetplattformen Bluesfans ungeniert an der Nase herum, indem sie ihrer Leserschaft die Pressetexte von Agenturen/Labels als Rezension oder Interview unterjubeln. Praktiken, von denen sich seriös arbeitende Autoren und Redaktionen distanzieren.
Ein journalistisches ,No-Go‘
Insofern war die Aufregung groß, als kurz nach Veröffentlichung von bluesnews 98 mehrere Leser reklamierten, das Interview mit Christone „Kingfish“ Ingram sei in weiten Teilen mit dem aus Living Blues Nr. 261 identisch. Da die amerikanische Zeitschrift kurz vor bluesnews erschienen war, lag die Vermutung nahe, bluesnews habe abgeschrieben. „Was bitte soll das denn? Macht ihr das öfter so? Journalistisch ist das für mich echt fragwürdig“, schimpfte – völlig zu Recht – ein Leser. Doch selbstredend hatte bluesnews-Autor Timon Menge den Text von Lee Zimmerman (Living Blues) nicht einfach ins Deutsche übersetzt und Zimmerman auch nicht den Menge-Text ins Englische. Vielmehr wurden beiden Autoren identische Antworten geschickt, was schließlich auch Brett Bonner, den Chefredakteur von Living Blues („Das ist ein absolutes journalistisches ,No-Go‘ und lässt uns schlecht aussehen“), auf den Plan rief.
Fragen nur per E-Mail
Hintergrund: Christone „Kingfish“ Ingram stand weder Living Blues noch bluesnews für ein Telefon- oder Skype-Interview zur Verfügung. „Fragen nur per E-Mail“, ließ dessen Plattenfirma Alligator Records wissen, über die der Kontakt für beide Zeitschriften lief. Das ist längst nichts Ungewöhnliches mehr, besonders junge Künstler präferieren den unpersönlichen Kontakt. Alligator fungierte sozusagen als Mittler, leitete zunächst die Fragen an Ingrams Manager und anschließend die jeweiligen Antworten an Lee Zimmerman sowie Timon Menge weiter.
Dumm nur, dass der ach so clevere Manager seinem Schützling Arbeit ersparen wollte. Der kopierte nämlich halbwegs passende Antworten, die Ingram auf die Zimmerman-Fragen gegeben hatte, einfach unter die Fragen von Timon Menge. Dass einige Antworten arg ausschweifend oder etwas merkwürdig ausfielen (bzw. einzelne Fragen gar nicht beantwortet wurden), machte nicht wirklich skeptisch. So etwas kommt bei Künstlern manchmal vor. Und Marc Lipkin, bei Alligator Records für die Pressearbeit zuständig, war schlichtweg nicht aufgefallen, dass er beiden Autoren identische Antworten weitergeleitet hatte.
bluesnews kann sich für den peinlichen Vorfall nur in aller Form entschuldigen. Ob Ingrams Manager einfach unbedarft gehandelt oder clever hinters Licht geführt hat, bleibt offen. Auf dessen Entschuldigung warten alle Beteiligten bislang vergeblich.
- Dirk Föhrs (Auszug aus dem Artikel in bluesnews 99)