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Opulente Box zum 70sten

Jimmie Vaughan
The Jimmie Vaughan Story
(The Last Music Co., ca. 365 Minuten)
Box mit 5 CDs und Buch (240 Seiten)

Hier vorgestellt wird die ebenfalls erhältliche Deluxe-Box (32 x 32 x 7 cm) mit einer zusätzlichen LP, zwei Singles, einer von Vaughan handsignierten Replik des Frontcovers sowie einer Sonderausgabe von „The Rodder’s Journal“ (mit Fotos von Jimmie Vaughans Oldtimersammlung).

Musikalischer Werdegang und Lebensweg

Dem Streaming-Boom zum Trotz setzt The Last Music Co. auf Haptik und Optik. 2020 veröffentlichte das Label eine Box mit drei Jimmie-Vaughan-LPs, nun folgten „A Trailblazer’s Legacy“ von Chris Barber (siehe Kilians Plattenecke) und eine opulente Box zu Jimmie Vaughans 70. Geburtstag. Er sei seinem Manager Malcolm Mills sehr dankbar, dass er sich dieser Aufgabe angenommen habe, sagt Jimmie Vaughan im bluesnews-Interview. Sechs Monate nach seinem 70. Geburtstag erschien „The Jimmie Vaughan Story“, eine opulente Box, die den musikalischen Werdegang und Lebensweg eines der erfolgreichsten Bluesgitarristen der vergangenen 50 Jahre erzählt. Zum Inhalt zählen fünf CDs und ein 240-seitiges, reich bebildertes Buch. Die Deluxe-Variante wurde zusätzlich mit einer LP, zwei Vinyl-Singles sowie weiteren Memorabilien ausgestattet. „Es war viel Arbeit, aber auch ein großer Spaß, diese Box zusammenzustellen. Sie ist vor allem für meine Fans gedacht.“

Knapp 100 Songs auf fünf CDs

Im Grunde sei er keiner, der gern zurückschaut, so Vaughan. „Es geht ja immer um das Jetzt, wenn du Gitarre spielst, auftrittst oder einen Song schreibst. Klar, wenn ich mit der Band auf der Bühne stehe, dann haut man schon mal die alten Sachen raus. Aber so geballt wie hier, das ist schon eine andere Sache. Ich habe noch nicht einmal alles am Stück anhören können, was wir da reingepackt haben! Es ist einfach zu viel!“ Bei knapp 100 Songs allein auf den fünf CDs ist das kein Wunder.

Bei der ersten CD handelt es sich um ein bereits 2013 veröffentlichtes „Best Of“-Album der Fabulous Thunderbirds, die Vaughan gemeinsam mit Kim Wilson gründete und mit denen er seine ersten Erfolge feierte. Bei den CDs Nr. 2 bis Nr. 5 wird es komplexer. „Da ist so viel Zeug dabei, das noch nie veröffentlicht wurde“, so Jimmie Vaughan. „Wine, Wine, Wine“ von den Nightcaps zum Beispiel, das er zusammen mit seinem Kumpel Billy Gibbons vor zehn Jahren in Austin, Texas, einspielte. Eine raue Aufnahme, die voller Saft und Kraft in knapp zwei Minuten abgefeiert wird. Oder „The Pleasure’s All Mine“ zusammen mit Bonnie Raitt, ebenfalls 2011 in Austin aufgenommen und in perfekter Soundqualität eingefangen.

Dazwischen finden sich zahllose Tracks mit Größen wie Lou Ann Barton, Sue Foley oder Mike Flanigin. Echte Perlen sind auch Titel mit Vaughans ehemaliger Band Storm, die belegen, wie früh sich der Gitarrist mit Erfolg auf die Suche nach seinem Signature-Sound begeben hat. „Ich hab’ ja schon als Kind in den 60ern angefangen, Gitarre zu spielen. Es gab diese Radioshow in Dallas, Kat’s Karavan. Da lief jeden Abend Musik von Leuten wie Jimmy Reed oder Lightnin’ Hopkins und lokalen Künstlern. Von dort konntest du dann umschalten, zum Beispiel auf XERF in Mexiko und Wolfman Jacks Show hören. Der Blues war überall!“ Also legte Vaughan los und brachte sich „Hide Away“ von Freddie King bei. „Wenn du das nicht spielen konntest, hattest du keine Chance auf einen Gig. Sogar die Countrybands spielten den Song. Einfach jeder!“ Dass er wenige Jahre später mit vielen Idolen seiner Jugend zusammenspielen würde, war da natürlich nicht abzusehen.

„The Jimmie Vaughan Story“ dokumentiert eindrucksvoll, wie gefragt die Gitarrenarbeit des Texaners später wurde. Albert Collins, Jimmy Rogers, John Lee Hooker, Eric Clapton, B.B. King, Lazy Lester – die Liste seiner Kooperationen und Sessions ist schier endlos. „Ich wache aber nicht morgens auf und denke, oh, ich bin eine Blueslegende. Ich wache auf und denke, was machen wir heute, wo geht es heute Abend hin?“ Ihm gehe es schließlich um die Musik. „Ich mag so viele Stile. Auch Country und Western sowie Rock’n’Roll. Sogar ein Song von Hank Williams zählt zu den Songs in der Box.“ Dass viele der Musiker, die auf den CDs zu hören und im Buch zu sehen sind, nicht mehr unter uns weilen, mache die Sache zu einem bittersüßen Erlebnis für ihn, räumt Jimmie Vaughan ein. „Ich vermisse diese Musiker und bin dankbar, sie getroffen zu haben. Ich vermisse meinen Bruder. Ich kann das nicht so gut in Worte fassen. Mach du das lieber mal, das ist doch dein Job, oder? Für mich ist es viel leichter, Musik zu machen!“

Anfangs habe er mit dem Schlagzeug experimentiert, aber die Füße der Basstrommel hätten daheim den Wohnzimmerboden zerkratzt. Die Anfänge auf der Gitarre seien zudem einer Zwangspause nach einer Sportverletzung geschuldet. Früher habe er eine Gibson-Gitarre gespielt, erinnert sich Vaughan, aber dann sei er doch bei der Stratocaster von Fender gelandet. „Gitarren sind im Grunde Gadgets. Sachen zum Herumspielen. Aber die Stratocaster ist wie von einem anderen Stern für mich. Wie kann man diese Gitarre oder die Telecaster nicht lieben?“

Ein eigener Sound ohne viele Effekte

Als junger Musiker habe er die Vorstellung gehabt, mit all seinen Idolen in einem Zimmer im Kreis zu sitzen: „Da waren Albert King, T-Bone Walker, Buddy Guy und so weiter. Jeder hat reihum etwas gespielt und ich hab’ mich gefragt, was spiele ich nur, wenn ich drankomme?“ Dieser Gedanke habe ihn dazu gebracht, seinen eigenen Sound auf der Gitarre zu suchen und zu entwickeln. Ohne viele Effekte, „weil ich den Sound der Gitarre liebe und ihn hören will“. Und mit einer Spielweise, die um jeden Ton zu ringen scheint, um ihm Geltung zu verschaffen. „Das drückt es ganz gut aus, denke ich. Dein Ideal erreichst du zwar nie, aber die Gitarre teilt dir schon mit, wie es zu sein hat.“

Die Box „The Jimmie Vaughan Story“ zeigt auf vielfältigste Weise, was die Gitarre dem Texaner in all den Jahren schon mitgeteilt hat. Sein mit einem Grammy ausgezeichnetes Album „Do You Get The Blues“ von 2001 zählt zum Inhalt, dies als liebevoll aufgemachte LP. Bislang gab es die Platte nur als CD. Der Swing dieser Aufnahmen ist zeitlos, die Lebensfreude des damals frisch in seine heutige Ehefrau Robin verliebten Musikers schimmert in den Songs durch, der Vinylsound ist großartig. Auf einer der beiden Vinyl-Singles ist der Song „Roll, Roll, Roll“ zu hören, der ursprünglich 2010 auf dem Album „Jimmie Vaughan Plays Blues, Ballads And Favorites“ veröffentlicht wurde. Das Artwork der kleinen Scheibe spiegelt zudem Vaughans Leidenschaft für Oldtimer wider. Seinen ersten, mittlerweile 70 Jahre alten Chevy besitzt er heute noch. Und passend dazu hat das Rodder’s Magazine eine kleine Sonderausgabe mit Fotos von Vaughans alten Autos für die Deluxe-Variante der Box spendiert.

Auch ansonsten wurde alles liebevoll gestaltet. So stecken die fünf CDs in einer stabilen und einem Fender-Verstärker nachempfundenen Box. Die musikalische Fundgrube beinhaltet zahlreiche bislang unveröffentlichte Songs der Fabulous Thunderbirds, die Doc Pomus 1979 blitzsauber produzierte. Titel von erfolgreichen Alben wie „Family Style“ (zusammen mit Bruder Stevie Ray Vaughan), „The Best Of Friends“ (mit John Lee Hooker) oder „Juke Joint Chapel“ (mit Charlie Musselwhite) sowie ausgesuchte Perlen aus Jimmie Vaughans Soloalben zählen auch dazu. Das reich bebilderte und ansprechend gestaltete Buch zeichnet auf 240 Seiten seinen Lebensweg nach. Mit Blick darauf ist die Jubiläums-Box für Vaughan auch ein Moment des Innehaltens. „So viele Leute, die auf den Fotos im Buch zu sehen sind, sind nicht mehr da“, sagt er. „Es ist fast überwältigend.“ Nicht zuletzt deshalb sei er als Künstler auch ganz froh, nach vorn auf seine kommenden Projekte schauen zu können. Wenngleich es natürlich fantastisch sei, seinen Fans diesen Karriererückblick anbieten zu können.

Verlosung einer Deluxe-Box

bluesnews verlost ein Exemplar der Deluxe-Boxen im Wert von rund 200 Euro. Mehr dazu in der Ausgabe 107.

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